Nach Angaben der UN ist eine Evakuierungsaktion im Gange, um Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk in Mariupol zu retten. Der ukrainische Präsident Selenskyj sagte, etwa 100 Zivilisten seien auf dem Weg nach Saporischschja.

Nach ukrainischen Angaben wurden etwa 100 Zivilisten aus dem von russischen Truppen umzingelten Stahlwerk in Mariupol befreit. Die Menschen gehen nach Saporischschja in der Ukraine, schrieb der Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj auf Twitter.

Die russische Seite bestätigte, dass Zivilisten Mariupol verlassen hätten und sprach von 80 Personen. Die Behörden in Mariupol sagen nun, die Evakuierung sei ausgesetzt worden. Der Einsatz soll den Angaben zufolge morgen früh fortgesetzt werden.

“Sehr komplexer Ort”

Die Vereinten Nationen teilten am Nachmittag mit, dass eine Evakuierungsoperation eingeleitet worden sei, um Zivilisten aus dem Stahlwerk zu retten. Ein Sprecher des UN-Nothilfeprogramms, Saviano Abreu, sagte, die Operation werde in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz durchgeführt und mit ukrainischen und russischen Behörden koordiniert. Die Helfer wären gestern im Stahlwerk eingetroffen.

Abreu beschrieb die Situation als sehr kompliziert und wollte keine Details zur Operation nennen. Etwa 1000 ukrainische Zivilisten und 2000 Kämpfer sollen sich im Keller des großen Stahlwerks Asowstal aufhalten. Die Stätte ist der einzige Ort in der Stadt, der nicht von russischen Streitkräften kontrolliert wird.

Die ukrainische Armee meldet mehrere Angriffe

Nach Angaben aus Kiew sind bei einem ukrainischen Angriff auf Stadtteile des Hauptquartiers der russischen Armee in der Stadt Isjum mehrere Menschen getötet worden. Unter ihnen seien hochrangige Beamte, sagte ein Berater des ukrainischen Innenministers Anton Heraschtschenko gegenüber Telegram. Die 50.000-Einwohner-Stadt Isjum liegt im Osten der Ukraine. Ukrainischen Quellen zufolge lebt dort auch der russische Stabschef Valery Gerasimov, der den Donbass-Angriff anführt. Der Angriff soll gestern stattgefunden haben. Aus Russland gibt es keine Bestätigung – nicht einmal über Gerasimovs Aufenthalt in der Region.

Fast 100 Bürger können aus dem Stahlwerk Mariupol evakuiert werden

Birgit Virnich, WDR, Tagesschau 16:00 Uhr, 1. Mai 2022

Die ukrainische Seite behauptete auch, Snake Island im Schwarzen Meer angegriffen zu haben. Die Insel war bereits zu Kriegsbeginn im Februar von der russischen Armee besetzt worden. Es liegt etwa 35 km vor der ukrainischen Küste. Mehrere Luftverteidigungseinheiten und eine Kommunikationseinheit seien bei dem Angriff zerstört worden, teilte das Kommando der ukrainischen Armee “Süd” mit. Dabei sollen 42 russische Soldaten getötet worden sein. Es gibt keine russische Bestätigung des Angriffs. Konfliktparteien als Quelle Die Angaben offizieller Stellen der russischen und ukrainischen Konfliktparteien zum Kriegsverlauf, zu den Bombenanschlägen und zu den Opfern können in der aktuellen Situation nicht direkt von einer unabhängigen Stelle überprüft werden.

Neuer Schaden an russischer Infrastruktur

Nach Angaben der russischen Behörden brach in den Einrichtungen des russischen Verteidigungsministeriums nahe der ukrainischen Grenze ein Feuer aus. Eine Person sei bei dem Brand in der Gegend von Belgorod leicht verletzt worden, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf Twitter mit.

Ob der teilweise Einsturz einer Eisenbahnbrücke nahe der russisch-ukrainischen Grenze in der Region Kursk mit dem Krieg zusammenhängt, ist unklar. Experten ermitteln derzeit die Ursache, schrieb Gouverneur Roman Starovoit im Telegram. Niemand wurde verletzt. Der westrussische Bezirk Suja, wo die Brücke die gleichnamige Stadt mit der Stadt Sosnovy Bor verbindet, grenzt an die nordostukrainische Region Sumy, aus der sich die russischen Streitkräfte zurückgezogen hatten. Ob ein Zusammenhang mit dem Krieg im Nachbarland besteht, ist noch unklar. In jüngerer Zeit hat Russland die Ukraine wiederholt beschuldigt, ihr Territorium anzugreifen. Russische Behörden haben wegen der „terroristischen Bedrohung“ die Alarmstufe in der Region erhöht.

                Weiß schattiert: Vormarsch der russischen Armee.  Grün schattiert: Separatistische Regionen, die von Russland unterstützt werden.  Krim: von Russland annektiert.  Bild: ISW / 30.04.2022

Russland bestätigt Angriffe im Süden und Osten

Russland hat neue Angriffe in der Ost- und Südukraine bestätigt. In der Region Saporischschja seien S-300-Flugabwehr-Raketensysteme zerstört worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in Moskau. In der Region Charkiw wurden zwei Kampfflugzeuge abgeschossen. Die ukrainische Seite wiederum sprach von mehreren Verletzten infolge der russischen Angriffe in Charkow. Auch Konaschenkow bestätigte einen Anschlag auf einen Flughafen in der Schwarzmeermetropole Odessa. Der Korridor wurde durch Raketen zerstört, ebenso wie ein Schuppen, in dem aus den USA und Europa gelieferte Waffen gelagert wurden.

Zelensky appelliert an die russische Armee

Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verstärkt Russland seine Streitkräfte im Osten des Landes. „Russland mobilisiert zusätzliche Kräfte für neue Angriffe auf unsere Armee im Osten des Landes“, sagte Selenskyj in seiner regelmäßigen Videoansprache. Russland versucht, den militärischen Druck auf den Donbass zu erhöhen. Er forderte russische Soldaten auf: “Jeder russische Soldat kann immer noch sein Leben retten. Es ist besser, in Russland zu überleben, als in unserem Land zu sterben.”

Nach ukrainischen Angaben sind seit Kriegsbeginn 23.000 russische Soldaten in der Ukraine getötet worden. Zudem seien bereits mehr als 1.000 russische Panzer und knapp 2.500 weitere Militärfahrzeuge zerstört worden, sagte Selenskyj in einer Videoansprache. Die tatsächlichen militärischen Opfer sind schwer abzuschätzen. Moskau hat bisher mehr als 1.000 gefallene Soldaten aufgenommen und erhöht im Gegenzug die Zahl der gefallenen ukrainischen Kämpfer auf über 23.000. …