Stand: 03.05.2022 06:00 Uhr                 

Hunderttausende Deutsche stecken in sogenannten Reihenkreditverträgen fest – ein Banking-Trick, mit dem sie viel Geld verdienen. Nun will die Bundesregierung den letzten Ausweg aus der Schuldenfalle holen.

Die Bundesregierung will das Recht zur Aufnahme von Verbraucherkrediten etwa für Autos, Waschmaschinen oder Fernseher stark einschränken. Das zeigen die zahlreichen Veröffentlichungen, die das Politikmagazin NDR Panorama 3 und die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) einsehen konnten. Demnach soll der Widerruf längstens ein Jahr und 14 Tage nach Vertragsschluss möglich sein, wenn beispielsweise Banken den Zinssatz auf ihren Kreditverträgen nicht eindeutig festlegen, unrichtige Widerrufsbelehrungen erteilen oder sonstiges von Bedeutung ist Fehler in Dokumenten, die Verbraucher benachteiligen.

Verantwortlich für die Reform des EU-Rechts

Bisher gilt für solche Fälle das sogenannte „Dauer-Widerrufsrecht“. Dadurch können Verträge Jahre später widerrufen werden, wenn Banken Verbraucher falsch informiert haben. Hintergrund ist die Überarbeitung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie. EU-Rat und Europäisches Parlament werden sich voraussichtlich im Juni auf einen Gesetzentwurf einigen, der im Herbst verabschiedet werden soll.

Die Bundesregierung hatte sich in mehreren Dokumenten und zuletzt auch in Diskussionsrunden für die Abschaffung des Dauerrücktrittsrechts eingesetzt. In einem Kompromissentwurf von Ende April übernimmt die EU den deutschen Vorschlag und kündigt damit wohl das Ende des dauerhaften Austritts an.

Gefährliche Veränderung für Betroffene der Kredite der Kette

Nach Recherchen von Panorama 3 und SZ hätte die geplante Beschränkung weitreichende Folgen für Schuldner. Besonders betroffen sind Menschen mit sogenannten Kettenkrediten. Mit diesem Kreditbetrug können Verbraucher, die beispielsweise einen Autokredit aufgenommen haben, von den Banken dazu überredet werden, diesen Kredit in immer größere Kredite umzuwandeln. Mit jedem Kredit verkaufen Banken zusätzliche Produkte wie Versicherungen, für die sie Provisionen erhalten.

Verbraucher seien am Ende oft in der Überschuldung gelandet, sagt Anwalt Achim Tiffe, der viele Betroffene vor Gericht vertreten hat: „Die meisten Menschen werden irgendwann überschuldet sein. Banken werden mit diesen Menschen ihre Gewinne gemacht haben.“ Nach Schätzungen anderer Wirtschaftsexperten sind Hunderttausende Verbraucher in Deutschland betroffen.

                Rechtsanwalt Tiffe befürchtet, dass es schwieriger wird, eine vernünftige Lösung für betroffene Verbraucher zu finden.  Bild: NDR/Panorama 3

Aus dieser Situation kommen sie oft nur mit Hilfe des „permanenten Rückrufs“ heraus. „Der Rückruf ist oft der Türöffner, wo wir eine sinnvolle Lösung für Verbraucher finden und auch eine Zahlung, die sie noch leisten können“, sagt Tiffe. Beschränkt sich der Rückruf auf ein Jahr und 14 Tage in die Zukunft, entfällt diese Option: Betroffene der Kredite der Kette suchen oft Jahre später und nach vielen Umschuldungen Hilfe bei Verbraucherschutzverbänden und Rechtsanwälten.

Erfolg der Bankenlobby?

Deshalb warnt Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale Bundesverband vor einer Änderung: „Wird das Widerrufsrecht eingeschränkt, dann gibt es keinen Notanker und der Verbraucher ist an dieser Stelle gefangen.“ Er befürchtet, dass Banken in Zukunft noch weniger Interesse daran hätten, Kunden richtig über Kredite aufzuklären, weil sie wüssten, dass sie nach einem Jahr und 14 Tagen sowieso nichts machen könnten.

Auf Anfrage von Panorama 3 und SZ teilte das zuständige Bundesfinanzministerium mit, sich nicht zu den laufenden Verhandlungen im EU-Rat zu äußern. In einer öffentlichen Debatte in der vergangenen Woche gab sich Daniel Bornhöfer, Rechtsanwalt bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU, weniger verdeckt. Er sagte, viele Verbraucher würden diesen „Entzugsjoker“ nutzen, um unangemessene Vorteile zu erzielen. Auch auf Nachfrage kann er diese Aussage nicht mit konkreten Daten oder Studien belegen.

Für Rechtsanwalt Tiffe ist das Signal der Bundesregierung falsch. Also „würde er hinterher genehmigen, was die Banken die letzten zehn, 20 Jahre gemacht haben“. Sendungshinweis: Panorama 3 berichtet heute um 21:15 Uhr über dieses Thema. im NDR-Fernsehen