Ziel: wenig Gewebe – viel Fleisch
Seit etwa zehn Jahren sind Forscher und Unternehmen auf diesem Gebiet erfolgreich, jetzt gibt es erste marktorientierte Initiativen – allerdings lag der Preis für ein Kilo so gewachsenes Fleisch vor etwa zwei Jahren noch bei rund 5.000 US-Dollar (rund 4.800 Euro). . Das Team um Aleksandra Fuchs vom Austrian Centre for Industrial Biotechnology (acib) und Viktorija Vidimce-Risteski vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Technischen Universität (GU) Graz will das mittelfristig deutlich reduzieren: Dazu wollen wir müssen kleine Fleischstücke in einer Nährlösung eingeweicht werden, so dass aus wenigen Millimetern Gewebe schließlich bis zu zwei Tonnen Fleisch werden.
Zwei Ansätze
Der Fokus liegt „zum einen auf der Herstellung alternativer Fleischprodukte und zum anderen auf der Produktion von tierischen Proteinen, wie den wichtigen Eisenüberträgern Myoglobin und Hämoglobin, die auch für alternative Fleischprodukte benötigt werden“, heißt es Vidimce-Risteski. .
Täusche den Nilpferdpfad
In der ersten werden biologische Mechanismen genutzt, die tief in der Evolutionsgeschichte verwurzelt sind, um das Muskelwachstum zu stimulieren. Einerseits ist es die Unterbrechung eines Informationsweges in den Zellen, der sie daran hindert, sich mehr oder weniger ungehindert zu teilen. Der sogenannte “Hippopotamus-Weg” ist eigentlich für die Begrenzung des Wachstums in der begrenzten Umgebung des Körpers verantwortlich. Seit anderthalb Jahren suchen Grazer Forscher nach vielversprechenden Wirkstoffen, mit denen sich der Signalweg blockieren lässt. Inzwischen sind viele vielversprechende Kandidaten identifiziert worden, die in sehr kleinen Mengen die gewünschte Entwicklung anregen. „Bisher haben wir mit drei Wirkstoffen extrem gute Ergebnisse erzielt“, sagt Fuchs. Die Prüfungen weiterer Kandidaten stehen noch aus.
Muskelschmerzen vortäuschen
Im nächsten Schritt täuschen die Wissenschaftler dem Gewebe dann Schmerzen vor, indem sie Botenstoffe – die sogenannten Myokine – zusetzen, die auch nach körperlicher Anstrengung oder sportlichem Training ausgeschüttet werden – das regt ebenfalls das Wachstum an. Diese Moleküle werden dann in die Nährlösung eingebaut, wodurch lebenswichtige Moleküle wie Aminosäuren, Mineralien und andere Nährstoffe in die Zellen gelangen. Auch tierische Myoglobine und Hämoglobine, die für die Geschmacks- und Geruchsentwicklung von Fleisch wichtig sind, konnten die Forscher schonend herstellen. Künftig sollen die Zutaten für den Cocktail möglichst vollständig in modifizierten Hefezellen hergestellt werden, „um einen niedrigen Preis zu ermöglichen“, sagte Fuchs.
Nur Fisch funktioniert anders
Die hier anvisierten biologischen Prozesse sind so grundlegend, dass sie sowohl von einer Vielzahl von Fleischlieferanten als auch von Geflügel zur Zellstimulation genutzt werden können. Bei Fischen seien die Mechanismen jedoch ganz andere, räumte Fuchs ein.
Die Ergebnisse der Befragung müssen frei zugänglich sein
Alle Verfahren und Methoden, die derzeit in der Steiermark entwickelt werden, sollen nach Projektende Ende 2023 der weltweiten Forschungsgemeinschaft frei zugänglich gemacht werden – so die Vorgabe der privaten DFK-Stiftung, die das Projekt fördert. Dadurch kann jeder potenzielle Erzeuger die Ergebnisse erhalten. “Das ist sehr einzigartig”, weil viele andere Akteure mit Informationen zum Stand ihrer Ermittlungen geizen, sagt Fuchs. Das Team selbst sucht noch nach Partnern, die versuchen, es hier, zum Beispiel in Österreich, umzusetzen. Auch wenn vieles im Dunkeln liegt, glaubt der Forscher, dass der Ansatz des „kultivierten Fleisches“ international führend ist.